30 Jahre in der Zahnregeneration

„Wir mussten kreativ sein.“

Dr. Thomas Braun · Deutschland
 · December 12, 2024

Dr. Thomas Braun hat in den letzten drei Jahrzehnten die medizinische Regeneration in Deutschland maßgeblich geprägt. Im Interview spricht er über Marktaufbau, den Wandel in der Implantologie und seine Begeisterung für regenerative Medizin.

Im Jahr 1996 begann Dr. Thomas Braun seine Karriere bei Geistlich in Deutschland als Marketing- und Vertriebsleiter. Fünf Jahre später übernahm er die Geschäftsführung der neu gegründeten Tochtergesellschaft. In dieser Rolle legte er den Grundstein für den Erfolg von Geistlich Bio-Oss® und Geistlich Bio-Gide® in Deutschland. Der Weg war jedoch kein leichter; die Biomaterialien von Geistlich stiessen anfangs auf Skepsis in der Fachwelt.


Was hat Sie damals dazu bewogen, sich bei Geistlich zu bewerben?

Ehrlich gesagt, es war eine Mischung aus Neugierde und der Herausforderung, einen komplett neuen Markt aufzubauen. Damals hatte ich noch keine spezielle Affinität zur Dentalbranche. Was mich letztendlich überzeugt hat, war das Team bei Geistlich. Die Kompetenz und Begeisterung der Menschen, die sich diesem Projekt verschrieben hatten, waren beeindruckend. Zudem faszinierte mich das Thema Regeneration sofort.


Der Markt existierte damals kaum. Wie sind Sie mit dieser Situation umgegangen?

Die Skepsis gegenüber Knochenersatzmaterialien war gross, weil die ersten Produkte einfach nicht die versprochenen Ergebnisse lieferten. Unsere potenziellen Kunden dachten, dass diese Materialien nicht funktionieren. Wir haben somit nicht bei null, sondern praktisch bei unter null angefangen, in einem riesigen Markt wie Deutschland mit sehr begrenzten Mitteln. Also mussten wir kreativ werden: Anstatt auf eine grosse Verkaufsorganisation zu setzen, haben wir unser Bildungsangebot ausgebaut und die Menschen zu uns geholt. So konnten wir die Qualität und Vorzüge unserer Produkte zeigen, denn der Wunsch nach hochwertigen Knochenersatzmaterialen war immer da.


Welche Merkmale zeichneten damals den deutschen Dentalmarkt aus?

Der deutsche Markt der Implantologie, unser Kernmarkt, ist stark von Fachleuten dominiert, insbesondere von Kiefer- und Oralchirurgen. Anders als in vielen anderen Ländern setzen in Deutschland weniger die allgemeinen Zahnärzte die Implantate, sondern eher Spezialisten, was unsere Zielgruppe herausfordernder machte. Diese Ärzte haben oft Zugang zu autologen Knochenquellen und waren daher besonders skeptisch gegenüber Knochenersatzmaterialien. Wir mussten viel Überzeugungsarbeit leisten.


Wie hat sich der Markt in den letzten Jahrzehnten entwickelt?

In den letzten 30 Jahren hat sich vieles zum Positiven verändert. Es gab enorme Fortschritte in der Mundgesundheit: schwere Parodontitis- und Kariesfälle sind deutlich zurückgegangen. Die Mundgesundheit hat sich allgemein deutlich verbessert, und Patienten verlieren ihre Zähne später im Leben als früher. Gleichzeitig hat sich der Fokus der Implantologie verlagert. Früher ging es um die funktionelle Versorgung von Prothesenpatienten, heute steht die ästhetische Einzelzahnversorgung im Mittelpunkt mit einer hohen Vielfalt von Implantaten. Diese Entwicklungen haben die Anforderungen an die Implantologie und die Erwartungen der Patienten erheblich verändert.


Sie haben zuletzt keinerlei Ermüdungserscheinungen aufgezeigt und neue Produkte sowie Indikationen vorangetrieben. Was treibt Sie an?

Wenn man sieht, was man mit Geweberegeneration erreichen kann, wie zum Beispiel der Fall, bei dem ein ganzer Unterkiefer rekonstruiert im Körper des Patienten „regeneriert“ wurde, ist das absolut faszinierend. Dass wir einem Tumorpatienten, der seinen Kiefer verloren hatte, wieder einen Kiefer geben konnten, ist so fantastisch und einfach unglaublich motivierend. Solche Erfolge zeigen, welches Potenzial in der Regeneration steckt, und treiben uns dazu an, immer weiter zu forschen und neue Wege zu gehen.


Geistlich ist bekannt für seine starken Werte. Wie leben Sie diese Werte?

Vertrauen ist der zentrale Wert von Geistlich, und ohne Vertrauen geht gar nichts. In der Organisation und in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden ist Vertrauen die Basis für alles. Was Geistlich besonders macht, ist auch das Gefühl einer grossen Familie. Viele Mitarbeiter bleiben jahrelang bei uns, weil sie sich hier wohlfühlen und wissen, dass sie Teil von etwas Grösserem sind. Genau diese Konstanz schafft langfristige Bindungen und wird von unseren Kunden sehr geschätzt.


Wenn Sie auf Ihre fast 30 Jahre bei Geistlich zurückblicken, was bleibt Ihnen am meisten in Erinnerung?

Zusammenfassend war es eine seltene Chance, ein Unternehmen von Beginn an aufzubauen und zu sehen, wie es zum Marktführer wuchs. Wir haben damals im Hinterhof einer Stahlfirma mit einfachen Mitteln angefangen und es brauchte viel, um das Unternehmen dort zu positionieren, wo es heute ist. Es war eine Teamleistung, und ich bin stolz darauf, Teil dieses Teams zu sein. Diese Reise war eine einzigartige Erfahrung, für die ich sehr dankbar bin.


Welche Empfehlungen würden Sie jungen Ärztinnen und Ärzten geben, die in die regenerative Medizin Fuss fassen möchten?

Suchen Sie sich einen Mentor, der zu Ihnen passt, und arbeiten Sie mit einem seriösen und etablierten Unternehmen zusammen, auf das man sich verlassen kann. Und vor allem: Bilden Sie sich ständig weiter.


Was denken Sie, wie sich die Branche und Geistlich in Zukunft entwickeln werden?

Wir erleben bereits einen starken Trend zur digitalen Transformation in der Zahnheilkunde. Moderne Technologien wie digitale Abformungen und spezialisierte Geräte werden zunehmend zum Standard, was auch grosse Investitionen seitens der Praxen erfordert. Der Trend geht klar in Richtung grösserer Praxisstrukturen, die spezialisierte Leistungen unter einem Dach anbieten. Geistlich wird diesen Wandel mitgestalten, indem wir weiterhin auf Innovationen im Bereich der Regeneration setzen und neue Märkte und Technologien erschliessen.

Über den Autor

Dr. Thomas Braun | Deutschland

Ehemaliger Geschäftsführer Geistlich Biomaterials GmbH Deutschland (2001-2024)